Schneewittchen und die sieben Zwerge

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
21. Oktober 2001
Abgelegt unter:
DVD

Film

(6/6)

Bild

(6/6)

Ton

(4/6)

Extras

(4/6)

Die aktuelle 2009er Neuedition von Schneewittchen auf Blu-ray und DVD wird „hier“ vorgestellt.

Am 21. Dezember 1937 erlebte im Carthay Circle Theater in Los Angeles – in Anwesenheit von Stars wie Marlene Dietrich, Charles Laughton und Judy Garland – ein außergewöhnlicher Film seine Premiere: Walt Disneys Snow White and the seven Dwarfs • Schneewittchen und die sieben Zwerge.

Selbst heute, rund 64 Jahre später, ist die Brillanz dieses Zeichentrickfilms kaum verblasst. Was insbesondere jüngeren Kinofreunden als wenig bemerkenswert erscheinen mag – Schneewittchen und die sieben Zwerge ist der erste abendfüllende Zeichentrickfilm und war seinerzeit eine risikoreiche und in der Herstellungsphase von der Konkurrenz misstrauisch und mit negativen Kommentaren versehene Novität. Walt Disney war seiner Zeit klar voraus, sein Konzept funktionierte, der Erfolg brach damals alle Rekorde und ist dem heutiger Blockbuster mehr als nur ebenbürtig: Schneewittchen und die sieben Zwerge war mit Abstand der erfolgreichste Film der 30er Jahre, dessen Einspielergebnis erst von Vom Winde verweht übertroffen wurde.

  Auf den Video-Veröffentlichungen wird (etwas großspurig) seit längerem praktisch jeder der Disney-Zeichentrickfilme mit dem Superlativ „Meisterwerk“ versehen. Für Schneewittchen und die sieben Zwerge ist diese Bezeichnung aber in jedem Fall zutreffend. Sowohl die zeichnerische als auch die farbtechnische Ausführung (im verbesserten 3-Farben-Technicolor-Verfahren) waren ein Meilenstein. Hinzu kommen die vielseitig und individuell gestalteten Charaktere der einzelnen Figuren (insbesondere der Zwerge), in denen sich mancherlei menschliche Schrullen liebevoll gespiegelt wiederfinden. Bis heute haben nur wenige Produktionen diese herausragenden Standards erreichen und (in Teilen) gar übertreffen können. Selbst innerhalb des Hauses Disney gilt dies m. E. nur für Pinocchio, Fantasia, Bambi und Sleeping Beauty.

Bereits Anfang der 30er Jahre feierte Walt Disney große Erfolge mit den Micky-Maus-Kurzfilmen und den „Silly Symphonies“, die eine Art Vorstufe zu Fantasia waren. Es war den Disney Mitarbeitern innerhalb nur weniger Jahre gelungen, die Mängel der zwar netten aber noch recht simplen frühen Cartoons entscheidend zu minimieren und neben technischen Verbesserungen im Produktionsprozess den Bewegungen der Figuren die Künstlichkeit zu nehmen. So dienten für Schneewittchen und die sieben Zwerge Filmaufnahmen von Schauspielern als Zeichenvorlagen. In der Oskar prämierten Silly Symphony The Old Mill (1937) war außerdem eine weitere Innovation der Disney-Studios zum Einsatz gekommen, um Cartoons ein überzeugendes Gefühl von Raumtiefe zu verleihen: die Multiplane-Kamera (näheres hierzu im Special zu Fantasia 2000).

Erreicht worden war die Perfektion aber auch durch eine enorme Vergrößerung des anfänglich kleinen Mitarbeiterstabes. Die Produktion abendfüllender Filme mit ihrer Fülle an Zeichnungen war nur noch mit einem Team von insgesamt etwa 1000 Mitarbeitern zu bewältigen. Trotz dieses gewaltigen Einsatzes von Man-Power dauerte die Fertigstellung von Schneewittchen und die sieben Zwerge über drei Jahre. Der Film wurde zum Welterfolg und selbst die Nazis blieben von Schneewittchens Charme nicht unbeeindruckt, allen voran Propagandaminister Goebbels, bei dem auch andere braune Disney-Fans (bis fast zuletzt) bereitwillig ein offenes Ohr fanden. So stimmte er noch am 15. Januar 1945 der Anforderung des Gauleiters von Oberschlesien, Bracht, zu, den Film auszuleihen, um sich „über die feindliche Haltung und Tendenzen“ zu informieren…

Die Filmmusik

Eine wichtige Rolle in der Wirkung des Films spielt die sehr gelungene sinfonische Musik von Leigh Harline, Frank Churchill, Larry Morey und Paul Smith. Neben den liebevoll auskomponierten Stimmungen und charmanten Mickey-Mousing-Effekten beeindrucken die auf dem Niveau edler Musicals angesiedelten schönen Songs durch ihre herrlichen Melodien.

Von der Schneewittchen-Musik gibt es eine Reihe von Versionen auf Langspielplatte und auch auf CD, die sich allerdings primär um die Songs bemühen und teilweise direkt vom Filmton abgenommen waren, also auch Geräusche und mitunter Dialoge enthalten. Die hier aufgeführte, 1999 erschienene Version von Disney-Records beruht auf der im Jahre 1993 erfolgten Restauration des Films und enthält mit einer Laufzeit von rund 74 Minuten (26 Tracks) erstmals die annähernd vollständige Filmmusik – es scheint von dieser Edition allerdings zwei oder drei Versionen mit unterschiedlichen Covern zu geben. Dank des Einsatzes moderner digitaler Nachbearbeitungstechniken erklingen die Stücke hier in bestmöglicher Qualität. Zwar ist das Alter spürbar, aber insgesamt klingen die immerhin rund 65 Jahre alten Aufnahmen überraschend frisch und klar: ein Fest für alle Freunde edler Cartoon-Musik.

Der Film auf DVD

Die Buena-Vista-DVD präsentiert Schneewittchen und die sieben Zwerge in der 1993 aufwändig restaurierten Version, die auch schon als Vorlage für die exzellent produzierte US-LaserDisc (LD) aus dem selben Jahr diente. Das Besondere an dieser Aufbereitung des alten Original-Negatives ist, dass erstmalig digitale Computertechnologie einbezogen wurde. So ist der – zuvor sorgfältig auf photomechanischem Weg (also klassisch) – restaurierte Film Bild für Bild eingescannt (etwa 120.000 Bilder, Speicherplatz pro Bild ca. 40 MB) und nach elektronischem Entfernen von Artefakten – mit Hilfe von Gaslasern – zurück auf 35-mm-Film-Material übertragen worden. Auf diesem Weg konnten nicht allein Beschädigungen des Negativs und die unweigerlich sichtbaren Spuren von Verschmutzungen auf den verschiedenen Glasplatten der Multiplane-Shots zum Verschwinden gebracht werden, auch optische Beeinträchtigungen aufgrund von vereinzelten Emulsionsfehlern des Original-Nitro-Cellulose-Negatives sind nun unsichtbar geworden: Schneewittchen und die sieben Zwerge erstrahlt seitdem – im wahrsten Wortsinn – in noch nie gesehenem Glanz!

Dies gilt für die DVD-Präsentation des Filmes in ganz besonderem Maße: Auch die schon erstklassige LD kann hier nicht ganz mithalten. Ein Schmankerl für den Filmfreund ist, dass sowohl der original englische als auch der deutsche Titelvorspann mit der jeweils angewählten Sprachfassung erscheinen. Damit aber nicht genug: Die deutsche Version zeigt natürlich auch die – schon damals bei den Disney-Studios im Interesse einer internationalen Vermarktung – für die deutsche Fassung vorbereiteten eingedeutschten Namen an den Betten der Zwerge. Sowohl die deutsche als auch die englische Tonfassung sind technisch behutsam aufpoliert und akustisch dezent verräumlicht worden. Das Resultat ist sehr überzeugend und eine Verbesserung gegenüber der früheren Mono-Version, wobei ein echter AC3-5.1-Sound (trotz Aufdrucks auf dem DVD-Cover) natürlich nicht geboten wird.

In Sachen Zusatz-Material ist die deutsche Schneewittchen-DVD durchaus ordentlich. Von den üppigen Beigaben der Deluxe-US-LD sind allerdings (leider) nur Bruchstücke vorhanden. So findet sich das ausführliche – rund 40-minütige Making-Of – der LD in einer (immerhin recht geschickt) auf etwa die Hälfte gekürzten Fassung wieder. Eine kindgerechte Führung durch die Highlights des Making Of bietet die von Kai Pflaume moderierte „Magic Mirror Tour“. Ebenfalls für die Kids gibt’s noch das berühmte „Heiho“ zum Mitsingen sowie das Spiel „Seppl’s wilde Jagd durch die Minen“. Außerdem kann zum Film ein geschickt aus Archivmaterial zusammengestellter informativer Audiokommentar von Walt Disney gewählt werden. Einen etwas blassen Eindruck hinterlässt dafür das Musikvideo mit Barbara Streisands Version des berühmten Songs „Someday my Prince will come“. Hier hat mich speziell das unglücklich auf „zeitgemäß“ getrimmte – angepoppte und außerdem mit Synthesizer versehene – Arrangement enttäuscht.

Als Zeichentrickfilm dürfte Schneewittchen zeitlos schön bleiben, obwohl der – im positiven Sinne – altmodische Film den Sehgewohnheiten jüngerer Kinofreunde und insbesondere der Kiddis nur bedingt entspricht. Wer sich jedoch zum Entdecken etwas Zeit nimmt, dem offenbart sich, welche Welten nicht allein zwischen der technisch brillanten und liebevollen Machart dieses Films und der Monotonie und Blässe der heutzutage im TV als Massenware präsentierten Zeichentrickproduktionen liegen. Die Disney-typisch vermenschlichten Tiercharaktere muss man zwar nicht mögen, dieser davon abgeleitete, fast schon „klassische“ Vorwurf allerdings taugt m.E. inzwischen allein für die Mottenkiste. Vergleichbares Naserümpfen erregte geraume Zeit auch der ausgeprägte Anarcho-Touch der Tex-Avery-MGM-Cartoons, bei denen es ebenfalls Zeit brauchte, den Pfiff zu erkennen und entsprechend zu würdigen.

Fazit: Alles in allem also ein klar positiver Gesamteindruck für die deutsche DVD-Version von Schneewittchen und die sieben Zwerge, wobei insbesondere die Film-Präsentation durch ihre Brillanz hervorsticht. Dass die deutschen Interessenten sich allerdings in Sachen Zusatz-Material (gegenüber der auf zwei DVDs angelegten US-Version) mit einer Sparausgabe abfinden müssen, ist unbefriedigend. Bleibt zu hoffen, dass eine spätere Neu-Edition – vergleichbar der angekündigten Deluxe-Version von Dinosaurier entsprechend nachgerüstet wird. Doch eine Frage bleibt auch dann offen: warum nicht gleich?

Die aktuelle 2009er Neuedition von Schneewittchen auf Blu-ray und DVD wird „hier“ vorgestellt.

© aller Logos und Abbildungen bei DISNEY PICTURES.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Hand, David D.

Erschienen:
2001
Vertrieb:
Buena Vista
Kennung:
DVD 101524
Zusatzinformationen:
USA 1937

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