Der Herr der Ringe — Die zwei Türme (Special Extended Edition)

Geschrieben von:
Peter Kramer
Veröffentlicht am:
15. April 2006
Abgelegt unter:
Special

Der Herr der Ringe — Die zwei Türme
(2002; Special Extended Edition 2003)

Vorbemerkung

Im Jahr 2002 schrieb ich einen vierteiligen Artikel zum ersten Teil von Peter Jacksons Der-Herr-der-Ringe-Trilogie, The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring • Der Herr der Ringe — Die Gefährten (2001), in dem ich mich sehr ausführlich mit den Abweichungen des Films von seiner Buchvorlage von J. R. R. Tolkien auseinandersetzte. Der zweite Film, The Lord of the Rings: The Two Towers • Der Herr der Ringe — Die zwei Türme (2002), inspirierte mich nicht mehr zu solch einer Sisyphusarbeit, und erst der dritte Teil, The Lord of the Rings: The Return of the King • Der Herr der Ringe — Die Rückkehr des Königs (2003), hat mich dann wieder mit Peter Jackson „versöhnt“. Seit zwei Jahren liegt nun auch dieser letzte Film auf DVD (Kinofassungen der Filme auf jeweils 2 DVDs) vor, und von allen drei Teilen gibt es auch ganz hervorragende Special Extended Editions (SEE) mit jeweils 4 DVDs.

1782In der Hoffnung, eine Fortsetzung des genannten Artikels werde trotz der langen Zwischenzeit noch auf Interesse stoßen, habe ich mich nun doch noch zu einer Fortsetzung des gewissermaßen unvollendeten Artikel-Torsos entschlossen. Und vielleicht tut der Abstand von der Euphorie über den so lange erwarteten Abschluss der Trilogie einer sachlichen Auseinandersetzung ja gut. Viele werden die Filme von DVD mittlerweile öfter gesehen und sich näher damit beschäftigt haben. Und manch einer hatte vielleicht auch Zeit, die Bücher (nochmals) zu lesen.

Gleich vorab: Eine so ausführliche Darstellung wie beim ersten Film wird es für die beiden anderen nicht geben. Aber als Grundlage für die Beurteilung soll weiterhin eine Bestandsaufnahme dienen, die sich Szene für Szene durch die Filme arbeitet. Deshalb ist diese „Fortsetzung“ als dreiteilige Artikelserie geplant: Dieser erste Teil beschreibt (und wertet) die Abweichungen von der Buchvorlage in Die zwei Türme, wobei ich mich auf die (mir) wichtigsten beschränke und nur nebenbei ein wenig „Erbsenzählerei“ betreibe. Neben dieser eigentlichen Aufgabe will ich aber auch Lob aussprechen bei Szenen, die ich für besonders gut gelungen halte. (Es entsteht sowieso schon immer der falsche Eindruck, dass ich die Filme nicht mag.) Der zweite Artikel soll dann das Gleiche mit Die Rückkehr des Königs tun, während der letzte Teil schließlich alles zusammenfassen und meine Gesamtkritik zu Peter Jacksons Trilogie bieten wird.

Während der Artikel zum ersten Film auf der Kinoversion basierte (die SEE erschien ja erst Ende 2002), liegen meinen folgenden Ausführungen nun grundsätzlich die Special Extended Editions zugrunde, wobei ich auf Unterschiede zur Kinofassung nur eingehe, wenn es mir nötig erscheint. (Bei Schnittberichte.com findet man ausführliche Gegenüberstellungen der beiden Fassungen aller drei Filme.) Die hier verwendeten Szenennummern und -titel entsprechen also den Nummern der SEE-DVDs, wobei neue Szenen mit [hoch1] und erweiterte Szenen mit [hoch2] kenntlich gemacht werden.

Für Grundlegendes zu Intention, Inhalt und „Nicht-Inhalt“ dieses ganzen Unternehmens verweise ich auf meine Vorbemerkungen zum erstenzweiten und dritten Teil des Artikels zu Die Gefährten. Daran hat sich im Prinzip nichts geändert.

Doch nun zum Film:

1. In den Tiefen von Moria

Der Film beginnt mit einer furiosen Anknüpfung an den ersten Teil, Die Gefährten: Wir sehen noch einmal Gandalfs Kampf mit dem Balrog auf der Brücke von Moria — allerdings (teilweise) aus einer anderen Perspektive, und diesmal können wir seinen Sturz in die Tiefe mitverfolgen. (Sein Kampf mit dem Balrog wird in einer Rückblende in Szene 15 fortgesetzt.) Obwohl diese Szene im Buch nur kurz vom zurückgekehrten Gandalf erzählt wird, ist sie für mich bereits ein Höhepunkt des Films — einfach kongenial! Da stört mich auch nicht der physikalische Unsinn, dass Gandalf im freien Fall sein Schwert einholt.

2. Elbenseil[hoch1]

Schöne, gut umgesetzte Szene mit herrlichem Humor.

3. Sméagols Zähmung[hoch2]

Für Gollum/Sméagol wurde eine ganz neue Filmtricktechnik entwickelt, um die hervorragende schauspielerische Darstellung von Andy Serkis, der ursprünglich nur als Gollums Stimme vorgesehen war, auf die voll computeranimierte Figur zu übertragen. Das Ergebnis ist ein lebensechter Charakter mit natürlichen Bewegungen und glaubwürdiger Mimik, dem man das Künstliche nicht mehr anmerkt — ein weiterer, viel gelobter Höhepunkt (vgl. besonders Szenen 29 und 66).

4. Die Uruk-hai[hoch2]

Auch hier ist der Inhalt der Geschichte gut umgesetzt. Doch der Streit zwischen Mordor- und Isengart-Orks fehlt, da der Film (fälschlich) von einem Bündnis zwischen Sauron und Saruman ausgeht.

5. Die drei Jäger

Die Anstrengungen der Verfolgungsjagd werden hier und in Szene 9 schön deutlich. Die Weite des Landes Rohan wird gezeigt, und Aragorn kann seine Fähigkeiten als Fährtensucher unter Beweis stellen (dazu mehr in Szene 12).

6. Die Westfold brennt[hoch2]

Wieder mal gibt es einen Einblick in Sarumans Intrigenküche, den es im Buch nur als Reflexion der davon Betroffenen gibt: Die Dunländer (man erfärt nichts Näheres über sie — muss man vielleicht auch nicht unbedingt) werden von Saruman gegen Rohan gehetzt. Hier beginnt sich ein falscher Eindruck von der Stärke Rohans durchzusetzen (dazu mehr bei Szene 20), das tatsächlich gar nicht von derartiger Besetzung betroffen ist (s. nachfolgende Szene).

7. Die Schlacht an den Furten des Isen[hoch1]

In der 1. Schlacht an den Furten des Isen fällt zwar Théodred, Théodens Sohn, aber die Feinde werden an der Überquerung des Isen gehindert. Im Übrigen vergehen zwischen dieser Schlacht (25. Februar 3019) und dem Eintreffen von Gandalf in Edoras (2. März) gerade einmal sieben Tage, was wohl kaum ausreicht, um Rohan in den Zustand zu versetzen, in dem es im Film dargestellt wird (s. Szene 20).

8. Die Verbannung von Éomer[hoch2]

Hier kommen wir nun zur ersten schwerwiegenden Abweichung des Films vom Buch. Die Geschichte Éomers ist komplett umgeschrieben. Erinnern wir uns: Bei Tolkien wird Éomer gefangengesetzt, weil er gegen den Befehl des Königs die Orks verfolgt hat. Seine Gefangenschaft dauert zwei Tage, bis Gandalf Théoden heilt.
Im Film wird Éomer wegen seiner Gegnerschaft zum Regime Gríma Schlangenzunges (dessen Macht ebenso wie die „Besessenheit“ des Königs enorm übertrieben wird [s. Szene 20]) verbannt. Erstaunlicherweise nimmt er einen Großteil des Heeres mit sich, wie wir in Szene 58 sehen werden, wo er Erkenbrands Rolle übernimmt. Man muss sich fragen, warum er nicht einfach mit seinen Männern zum Wohle des Landes die Macht an sich reißt und Schlangenzunge erledigt, wo er doch weiß, dass der König nicht Herr seiner selbst ist. Durch die Veränderungen fehlt Éomer bis zum Ende der Schlacht um die Hornburg (bis zu besagter Szene 58), so dass die Grundlage für die Freundschaft zu Aragon fehlt, dem er nur kurz in Szene 11 begegnet.
Éomers Rolle und Bedeutung werden also stark geschmälert. Der Grund dafür entzieht sich meinem Verständnis.

9. Auf der Fährte der Uruk-hai

Die Szene setzt Szene 5 fort. Gimli wird ab hier mehr und mehr zur lächerlichen Figur, während Legolas sich immer stärker mit übermenschlichen Fähigkeiten profilieren kann (so z. B. auch in den Szenen 31 und 34 sowie bei der Schlacht um die Hornburg ab Szene 49).

10. Das Nachtlager am Fangorn-Wald[hoch2]

Gut gelungen, besonders der Streit unter den Orks, obwohl Tolkien nichts über Kannibalismus bei ihnen berichtet.

11. Die Reiter von Rohan

Die Begegnung der drei Gefährten mit der (hier bereits verbannten) Reiterschar Éomers ist recht eindrucksvoll in Szene gesetzt. Leider erhält die Konfrontation zwischen Gimli und Éomer eine neue (läppische) Motivation, so dass die Verehrung des Zwergen für die Herrin Galadriel nicht weiter thematisiert wird.

12. Merrys und Pippins Schicksal

Hier hatte jemand eine ganz hervorragende Idee, wie man die Fähigkeiten Aragorns als Fährtenleser visualisieren kann. Der mehrfache Wechsel zwischen Aragorns Fährtensuche am Tage und den Nachtszenen mit den „gelesenen“ Ereignissen ist für mich ein weiterer Höhepunkt dieses Films.

13. Baumbart

Ich finde das Zusammentreffen in der Filmdarstellung weniger logisch als im Buch: Wenn Baumbart die beiden Hobbits immer noch für kleine Orks hält, warum macht er nicht kurzen Prozess mit ihnen wie mit dem großen Ork? Im Film gibt es zwar mehr Action, aber mir gefällt die heiter-besinnliche Stimmung des Treffens im Buch besser, und sie passt auch besser zu Baumbart.
Das überaus gelungene Design der Ents, auf die ich schon sehr gespannt war, zeigt sich hier und besonders in den Szenen 44, 56 und 59.

14. Die Durchquerung der Sümpfe[hoch2]

Ich muss sagen, dass mir das Design der Totensümpfe weniger gut gefällt. Die Leichen auf dem Grund sind irgendwie zu deutlich erkennbar. Der Flug des Nazgûl über die Sümpfe ist dagegen toll.
Inhaltlich gibt es nichts zu bemängeln, außer dass Frodo natürlich nicht ins Wasser fällt und folglich auch nicht von Gollum gerettet wird.

15. Der Weiße Reiter[hoch2]

Gandalfs Rückkehr ist schön und buchgetreu gemacht.

16. Das Lied von den Entfrauen[hoch1]

Ein netter Einschub, der aber ohne Verluste in der Kinofassung geschnitten war.

17. Der Erbe von Númenor[hoch1]

Dies ist ein Informations-Monolog Gandalfs, mit dem er Aragorn (und uns) auf den neuesten Stand bringt. Doch auch dieser Schnitt tat der Kinofassung nicht weh.

18. Das Schwarze Tor ist versperrt

Hier ist mal wieder das gelungene Produktionsdesign zu loben. Das Toreöffnen mit Hilfe der Trolle ist ein hübscher Einfall.
Der (für den Film erfundene) Zwischenfall, dass Sam den Abhang hinunterrutscht und Frodo sich und ihn unter seinem Elben-Mantel versteckt, erscheint mir so, wie er präsentiert wird, ziemlich unglaubwürdig. Durch Schnittfolge und Kamerawinkel wird suggeriert, dass der Hauptmann der Südländer so nah bei Sam und Frodo ist, dass er sie bereits hätte sehen müssen, bevor Frodo den Mantel über sie wirft.

19. Entwasser[hoch1]

Diese an sich nette Szene mit dem Ent-Trank („Entwasser“ ist eigentlich ein Flussname!), das die Hobbits wachsen lässt (was im Buch natürlich nicht so ruckartig geschieht, aber doch irgendwie visualisiert werden muss), wird mit einer Begebenheit vermischt, die hier nichts zu suchen hat: Im Buch werden die Hobbits vom Alten Weidenmann im Alten Wald an der Grenze des Auenlandes eingeschlossen und von Tom Bombadil befreit. Dass Baumbart direkt bei seiner Behausung so einen bösartigen Baum duldet und so seine Gäste einer Gefahr aussetzt, schmälert seinen Ruf als Baumhirte. Wenn man den Alten Wald und Tom Bombadil schon gestrichen hat, dann sollte man auch nicht Ideen aus diesem Zusammenhang anderswo „unterbringen“ (was man in der Kinofassung ja auch unterlassen hat).

20. Der König der Goldenen Halle[hoch2]

An dieser für sich genommen vielleicht ganz spannenden aber als Umsetzung der Vorlage misslungenen Szene können wir zwei Hauptpunkte (und mehrere kleine) meiner Kritik an dieser Verfilmung deutlich machen: erstens die Darstellung Rohans als ein desolates Land ohne Hoffnung kurz vor dem Untergang, und zweitens die völlig überzogene „Besessenheit“ Théodens.
Die Fahne, die vom Wind losgerissen wird, als Éowyn aus der Goldenen Halle kommt, und dann unten vor der Stadt vor den Ankömmlingen in den Staub fällt ist ein starkes Symbol für den totalen Niedergang Rohans, der in den folgenden Szenen (23, 27, 35, 43, 45 und 46) weiter hervorgehoben wird. Im Buch fehlt jede Spur davon, und auch im Film werden diese Zustände mit einem Mal geheilt, sobald die Schlacht um die Hornburg gewonnen ist (Szene 58). Das einzige, was Rohan im Buch fehlt, ist eine starke Führung, womit wir auch schon beim zweiten Punkt wären: Théoden.
Der König von Rohan ist nicht von Saruman besessen und braucht keinen Exorzismus, wie es so völlig übertrieben im Film dargestellt wird. Vielmehr wurde er unter dem Einfluss Schlangenzunges (und damit Sarumans) vorzeitig senil. So etwas Subtiles lässt sich natürlich im Film nicht so leicht darstellen, aber ein guter Schauspieler und etwas (dezentes!) Makeup hätten das wohl schaffen können. Statt dessen hat Peter Jackson leider zu diesen plumpen Tricks aus der Horrorkiste gegriffen, was zugegebenermaßen auch eine gewisse eindrucksvolle Wirkung hat. Aber es ist eben nicht Tolkien.
Auch bei der Darstellung von Gríma Schlangenzunge fehlt leider jede Subtilität und Zurückhaltung. Durch sein Äußeres wird jedem Filmbesucher sofort klar, dass er ein ekelhafter Fießling ist. Eigentlich kann man fast nicht glauben, dass er ein Mensch ist, da er eher wie ein (runtergekommener) Vampir aussieht.
Kommen wir zum „Auftritt“ unserer Freunde als solchem. Im Buch bleibt alles im wohlgeordneten diplomatischen Rahmen, bis Gandalf seinen Mantel abwirft, seine Macht offenbart und Schlangenzunge zu Boden zwingt. Im Film bahnen sich die Gefährten mit Gewalt eine Bahn durch die lange Halle, und während sie sich so bedrohlich dem Thron nähern, greift die Wache nicht einmal ein, die die Gäste soeben noch entwaffnet hat! Unfassbar.
Éomer sollte eigentlich nach Théodens Heilung aus dem Gefängnis befreit werden, aber da er verbannt ist (Näheres s. Szene 8), kann er seinem König nicht bei den folgenden Entscheidungen zur Seite stehen.
In dieser Szene beginnt auch die verzerrende Charakterdarstellung Théodens (vgl. vor allem Szene 23, aber auch 22, 43 und 46), indem er sehr brutal mit seinem gestürzten Ratgeber umgeht und erst von Aragorn, der hier langsam etwas königlicher wird (vgl. Szenen 45 und 48), zur Milde bewogen werden kann.

21. Théodreds Begräbnis[hoch1]

Die Beerdigungsszene ist recht stimmungsvoll, besonders durch die von Éowyn gesungene altenglische Totenklage, aber sie ist unnötig (daher im Kinofilm geschnitten) und hat im Buch keine Entsprechung, da erstens Théodred nicht in einem Hügelgrab begraben wurde (schließlich wurde er nie König), sondern an den Furten des Isen, wo er fiel, und zweitens weil Théoden bereits um seinen Sohn getrauert hatte (wie gesagt, war er nicht besessen und völlig weggetreten), was seinen eigenen Zustand nur verschlechterte.

22. Simbelmyne auf den Hügelgräbern

Die Trauer Théodens setzt sich fort und wäre auch durchaus akzeptabel, wenn sie nicht in Verzweiflung übergehen würde, die Théoden auch in den Szenen 23, 43 und 46 nicht überwindet, sondern erst in Szene 58 durch die eindringlichen Worte Aragorns. Somit ist wieder eine völlige Umkehrung der wahren Geschichte zu konstatieren: Der Witz von Théodens Heilung durch Gandalf ist doch gerade, dass er Alter und Verzweiflung abschüttelt und neuen Mut fasst, dass er wieder in die Lage versetzt wird, als König vernünftige Entscheidungen zum Wohle seines Volkes und Landes zu treffen.

23. Die Entscheidung des Königs

Auch hier eine zum Buch in direktem Gegensatz stehende „Interpretation“: In Wirklichkeit ist es Gandalfs Rat, nach Helms Klamm zu ziehen, um sich dem Feind entgegenzustellen — natürlich nicht mit „Sack und Pack“, sondern nur mit dem kampffähigen Heer, das es im Film allerdings kaum noch gibt (s. Szene 20). Die nicht kampffähige Bevölkerung soll sich dagegen in die Bergfestung Dunharg zurückziehen. Im Film taucht Dunharg erst in Die Rückkehr des Königs auf, und der Zug nach Helms Klamm wird als Flucht dargestellt, die Théoden gegen den Rat von Gandalf und Aragorn beschließt. Zwischen Théoden und Aragorn kommt es sogar zur Konfrontation. Das Schlimme daran ist nicht die (durchaus legitime) Vereinfachung und Verkürzung der Ereignisse durch das Weglassen von Dunharg, sondern die völlig falsche Darstellung der Charaktere, der politischen und militärischen Situation und der Motivationen. Das alles setzt sich in den weiteren Szenen fort (vgl. 35, 43, 45, 46, 48 und 58) und führt auch eine Kernaussage des Buches ad absurdum, dass nämlich die Guten zusammenhalten müssen, um das Böse zu besiegen. Wohlgemerkt: Ich hätte nichts gegen eine sachliche Diskussion, in der man sich gegenseitig überzeugt, aber diese dauernden sinnlosen Streitereien, die nur mit dem Machtwort des Oberbefehlshabers beendet werden, künden nicht gerade von Einigkeit und Zusammenarbeit.

24. Brego[hoch1]

Erfundene Szene, die nur als Vorspiel zu der (ebenfalls völlig überflüssigen) Szenenfolge um Aragorns Pseudo-Tod (s. 34, 37 und 43) benötigt wird (und deshalb für die Kinofassung nicht hätte geschnitten werden dürfen).

25. Barahirs Ring[hoch1]

Das Gespräch zwischen Saruman und Schlangenzunge liefert einige interessante Informationen zur Hintergrundgeschichte, die aber für Saruman und auch für die Zuschauer völlig unwichtig sind.
Der zweite Teil dieser Szene zeigt uns einen erstaunlich zuversichtlichen Théoden, wie er sein sollte, aber nicht recht zu seiner sonstigen Darstellung passt. Wohl deshalb gibt es diese Szene nur in der SEE.

26. Eine Tochter von Königen[hoch2]

Ein ähnliches Gespräch zwischen Aragorn und Éowyn findet im Buch später (in Dunharg) statt, aber die Verlegung hierhin ist durchaus legitim.

27. Die Flucht aus Edoras

Die Flucht aus Edoras wird erstaunlicherweise während eines Gesprächs zwischen Schlangenzunge und Saruman gezeigt, und man fragt sich unwillkürlich, woher Schlangenzunge das alles denn so genau weiß. Die falsche Einschätzung der Situation in Rohan (vgl. Szene 23) wird hier fortgesetzt und von der Feindesseite quasi bestätigt.

28. Die Wälder Ithiliens

Zarte Andeutungen des Buches werden im Film mal wieder völlig überzogen dargestellt und bis zu einem (unerträglichen) Höhepunkt im dritten Film entstellt. Damit meine ich die sehr grobe Behandlung Gollums durch Sam und die dadurch forcierte allmähliche Entfremdung zwischen Sam und Frodo, was beides in dieser Szene beginnt.

29. Gollum und Sméagol

Der Höhepunkt der Gollum-Darstellung. Ein Hoch auf Andy Serkis’ Schauspielkunst!

30. Kräuter und Kaninchenpfeffer[hoch2]

Die imposanten Mûmakil sind mal wieder ein schönes Beispiel für das fast immer gelungene Produktionsdesign. Faramirs Reflexionen über den getöteten jugendlichen Südländer lassen seinen guten Charakter erahnen.

31. Zwergenfrauen[hoch2]

Hintergrundinformationen über Zwergenfrauen werden dazu missbraucht, Gimli (und seine ganze Rasse) mal wieder lächerlich zu machen. Als Einzelgag nett, aber in der Häufung (s. Szene 9) unangenehm.

32. Einer der Dúnedain[hoch1]

Eine Szene der SEE, bei der es besonders schade ist, dass sie im Kino nicht zu sehen war, denn es gibt einige Informationen über die Dúnedain und das untergegangene Nördliche Königreich, und Aragorns Alter (87!) wird genannt, was bei Éowyn (und vielleicht bei manchem Zuschauer) ein Aha-Erlebnis bewirkt.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Dúnedain des Nordens in der gesamten Film-Trilogie fehlen. Aragorn scheint hier wirklich der letzte seiner Art zu sein und wird immer nur als Thronprätendent von Gondor bezeichnet. Er hat keine Anhänger oder Gefolgsleute. Es gibt keine Graue Schar, die ihm sein Königsbanner bringt und ihm auf den Pfaden der Toten und zu den Häfen von Pelargir folgt.

33. Der Abendstern[hoch2]

Aragorns Reflexionen über Arwen erinnern noch einmal hübsch an ihre Liebe (die im Buch zu Recht in die Anhänge verbannt ist; sie ist einfach nicht das Thema), aber auch an die falschen Darstellungen Aragorns als Selbstzweifler und Elronds als Gegner dieser Liebesbeziehung.

34. Die Wölfe von Isengart

Obwohl die Wargreiter ganz imposant umgesetzt sind, ist ihr (frei erfundener) Angriff doch nur wieder ein Beispiel für das Übergewicht von Kampf- und Actionszenen gerade im zweiten Film. Am Ende „stirbt“ Aragorn einen der vielen „Pseudo-Tode“ der Trilogie (vgl. Szenen 37 und 43).
Die Diskrepanz zwischen lächerlichem Gimli und übermenschlichem Legolas wird weiter verstärkt (s. Szene 9).

35. Helms Klamm[hoch2]

Auch Helms Klamm ist wunderbar und buchgerecht designt.
Zum fälschlich desolaten Zustand von Rohan habe ich ja bereits bei Szene 20 Stellung genommen (verstärkt fortgesetzt in den Szenen 43, 45, 46 und 48).

36. Isengarts Heer zieht in die Schlacht

Wieder ein Blick in die „Werkstatt“ des Feindes, und man erfährt etwas über Baumbarts Verhältnis zu Saruman.

37. Die Gunst der Valar

Treiben bewusstlose Körper eigentlich wirklich an der Wasseroberfläche? Hilft Arwen hier Aragorn durch Zauberei aus der Ferne? Und wo kommt dieses verdammte Pferd her (Schließlich fehlte in der Kinofassung auch noch Szene 24!)?
Das Ganze (mit Szenen 34 und 43) ist ein großer, kitschiger Stuss — und nicht nur, weil es im Buch nicht vorkommt!

38. Arwens Schicksal

Ein Kapitel der unendlichen Versuche des Film-Elronds, seiner Tochter die Liebe zu Aragorn auszureden (noch dazu mit falschen Aussagen zu Arwens Schicksal), und Arwen — immerhin eine gestandene Elbin von 2777 Jahren! — lässt sich wirklich bequatschen!? Na, dann kann ihre Liebe ja doch wohl nicht so groß gewesen sein.
Schön ist aber der Blick in die Zukunft, wo Arwen an Aragorns Grab steht.

39. Die Weissagung in Lórien

Das Schöne an dieser (erfundenen) Szene ist, dass die verschiedenen Handlungsfäden der Geschichte mal wieder zusammengesponnen werden. Leider hat man nicht die Gelegenheit genutzt, uns die anderen Kriegsschauplätze in Thal, im Düsterwald und auch in Lórien zu zeigen.

40. Das Fenster nach Westen[hoch2]

Schön, dass Tolkiens Mittelerde-Karte mal wieder gezeigt wird, aber Faramir kann unmöglich vom Angriff Sarumans wissen.
Faramirs Charakter wird aber in dieser Szene noch gut und richtig dargestellt (vgl. aber 41, 42, 55, 57, 60 und 64).

41. Die Söhne des Statthalters[hoch1]

Diese Szene bietet teils interessante, größtenteils jedoch überflüssige und falsche Hintergrundinfos: Unser Boromir wird mit dem Truchsess Boromir vermischt, der nach 2475 Osgiliath zurückerobert hat. Das Verhältnis Denethors zu seinen Söhnen wird völlig verzerrt und überzogen dargestellt, was schließlich in Die Rückkehr des Königs zur (filmischen wie menschlichen) Katastrophe führen wird. Denethor und Boromir wissen erstaunlicherweise von dem einen Ring (und vermuten ihn sogar in Bruchtal!), obwohl dieses Wissen im Buch ausdrücklich als verschüttet dargestellt wird. Der Ring wird im Film immer wieder zum offenen Geheimnis.
Nur für meine Erbsenzählerfreunde: Die zu Beginn der Szene gezeigte Fahne ist falsch. Die Truchsesse von Gondor führten ein weißes Banner ohne Emblem, während das Königsbanner den Weißen Baum, sieben Sterne und eine Krone auf schwarzem Grund zeigte. Die dargestellte Fahne ist also eine Mischung aus beidem.

42. Der verbotene Weiher[hoch2]

Gute und eindrucksvolle Umsetzung des Verrats an Gollum aber die Grausamkeit der Waldläufer ist unentschuldbar. Was unterscheidet bei diesen Guantánamo-Methoden denn noch die guten Hochmenschen von Gondor von den Dienern des Feindes?
Nun weiß auch noch Faramir von dem Ring (vgl. vorhergehende Szene), und Sam, das kleine Plappermaul, erzählt ihm auch noch die restlichen Geheimnisse. Faramirs Charakter nähert sich hier Boromir an (fortgesetzt in Szenen 55, 57, 60 und 64), aber die beiden Brüder sollten nun mal grundverschieden sein.

43. Aragorns Rückkehr

Tja, was hat Aragorns „Ausflug“ dem Film jetzt gebracht (vgl. Szene 37)? Für mich ist das alles purer Unsinn und reine Zeitverschwendung — Zeit, die sinnvoller hätte genutzt werden können.
Auch der weitere Dialog dieser Szene ist „voll neben der Spur“. Der vermeintliche Gegensatz zwischen Théoden und Aragorn wird verstärkt (vgl. Szenen 20, 23 und 48). Théoden wird weiter als uneinsichtig und verzweifelt hingestellt. Zur falschen Darstellung der Situation von Rohan tritt die Ignorierung des (freundschaftlichen) Lehnsverhältnisses zu Gondor hinzu, was in Die Rückkehr des Königs noch deutlicher wird.

44. Entthing

Sehr schön, insbesondere die Verschiedenartigkeit der Ents.

45. Die Glitzernden Höhlen[hoch2]

Aragorn wird mehr und mehr zum Anführer Rohans stilisiert, und ich frage mich mit Théoden, ob er eigentlich König von Rohan oder von Gondor werden will.
Die Mobilisierung von Alten und Jugendlichen und Legolas’ Zorn der Verzweiflung verstärken einmal mehr den falschen Eindruck von der Wehrlosigkeit Rohans.

46. „Wo sind Ross und Reiter?“

Théodens Zweifel und die Ausrüstung der Kind-Soldaten bilden die logische (aber weiter buchverfälschende) Fortsetzung der vorhergehenden Szene.

47. „Nicht so hastig, mein Herr Meriadoc!“[hoch1]

Während die Langsamkeit des Entthings gut herausgearbeitet wird, erscheint die ausfällige Wut Merrys unangebracht. Warum drängelt er überhaupt so? Er weiß doch von nix.

48. Das Heer der Eldar

Im ersten Teil der Szene erscheint Aragorn als einziger Hoffnungsträger. Er zeigt tatsächlich langsam königliche Züge — leider nur in Rohan (vgl. Szenen 20 und 45).
Dann hätte ich bei dieser Szene im Kino beinahe laut „Was für’n Quatsch!“ geschrien. Die Unsinnigkeit der Einführung der Elben in die Schlacht um die Hornburg wird schon dadurch deutlich, dass von ihnen nach dem Tode Haldirs (in Szene 53) nicht mehr die Rede ist. Aber nachdem man Rohan mit viel Mühe so unglaublich wehrlos dargestellt hat (Szenen 6, 20, 23, 27, 35, 43, 45 und 46), braucht man natürlich etwas Hilfe, um die Schlacht doch noch zu gewinnen.
(Noch etwas für Erbsenzähler: Es dürfte sich hier wohl nicht um Eldar, sondern zum ganz überwiegenden Teil um Waldelben, also Avari, aus Lórien handeln.)

49. Die Schlacht um die Hornburg[hoch2]

Die Schlacht um die Hornburg (fortgesetzt in den Szenen 51, 53 und 58) ist im Allgemeinen sehr eindrucksvoll und spannend und mit ihren humoristischen Einlagen sehr unterhaltsam. Für meinen Geschmack dauert sie aber viel zu lange, und es gibt zu viele unglaubwürdige, ja unmögliche „Kampftricks“.

50. Altes Entisch

Hier gilt das Gleiche wie für Szene 47.

51. Die Bresche im Klammwall

Fortsetzung der Schlacht (aus Szene 49).

52. Das Entthing trifft eine Entscheidung

Endlich trifft das Entthing seine lang erwartete Entscheidung. Aber was für ein Unsinn nach dieser langen und tiefgründigen Beratung! Um die Bedeutung der Hobbits zu steigern, werden die Ents ihrer Würde, ihrer Weisheit und ihrer Intelligenz beraubt und müssen sich in Szene 56 dann doch noch umstimmen lassen.

53. Rückzug in die Hornburg[hoch2]

Fortsetzung der Schlacht (aus Szene 51).
Haldir stirbt — natürlich in Zeitlupe (gähn!), aber immerhin bleibt mal einer wirklich tot. (Und er gehört ja auch nicht wirklich hierhin; vgl. Szene 48.)

54. Meister Peregrins Plan

Nur ein Verbindungsglied zwischen den Szenen 52 und 56. Baumbart scheint zu verblöden, da er sich von Pippins dünnen Argumenten überzeugen lässt.

55. Osgiliath

Ein erneuter „Geniestreich“ des Autorenteams: Der Eine Ring wird nach Osgiliath gebracht! Hier kommt so ziemlich alles zusammen: Entstellung der Charaktere (Faramir), Verzerrung von Zeit und Raum, Entkernung der Geschichte und Verschwendung wertvoller Filmzeit (s. Szenen 57 und 60).

56. Der letzte Marsch der Ents[hoch2]

Endlich entscheiden sich die Ents richtig (s. Szene 52) — sehr hastig, ganz gegen ihre Gewohnheit. Woher wusste Pippin bloß (vgl. Szene 54), was sie im Süden finden würden?
Trotz der äußerst dummen Verfälschung ist die visuelle Umsetzung gelungen.

57. Die Attacke der Nazgûl

Wird der Ring nach Osgiliath begracht, um weitere Kampfszenen oder einen weiteren Schauplatz zu zeigen (vgl. Szenen 55 und 60)?

58. Vorwärts, Eorlingas!

Am Ende der Schlacht um die Hornburg werden glücklicherweise diverse durch Buchentstellungen verursachte Ungereimtheiten wieder aufgelöst. Die letzte Konfrontation zwischen Aragorn und Théoden (vgl. Szenen 20, 23, 43 und 45) endet mit dem versöhnlichen, gemeinsamen Ausritt aus der Hornburg (in Wirklichkeit Théodens Idee). Éomer und seine Verbannten tauchen endlich wieder auf (vgl. Szenen 8 und 11; doch eigentlich ist es die versprengte Reiterei von den Furten des Isen, die Gandalf zusammensucht und unter Führung von Erkenbrand nach Helms Klamm bringt). Und nach dieser „Wiedervereinigung“ verbessert sich schlagartig die ach so miserable Situation in Rohan, wie man dann insbesondere in Die Rückkehr des Königs sehen wird. Doch das Schönste am Ende der Schlacht: Von den hilfreichen Elben fehlt jede Spur (vgl. Szene 48)!

59. Isengart wird geflutet

Das Wüten der Ents in Isengart ist endlich wieder ein Lichtblick, ja sogar ein weiterer wunderbarer Höhepunkt.

60. Geschichten, die wirklich wichtig sind …

Wie sagt Sam hier doch so treffend: „Das ist alles falsch! Eigentlich dürften wir gar nicht hier sein, an diesem Ort.“ Recht hat er (vgl. Szenen 55 und 57)! (Das fand ich übrigens wirklich witzig. Vielen Dank an denjenigen, der diese Worte ins Drehbuch geschmuggelt hat.)
Für besonders unglaubwürdig und für die Story schädlich halte ich das Zusammentreffen Frodos mit dem Nazgûl. Was bedeutet so eine Szene wohl für den supergeheimen Ringvernichtungsplan, auf dem doch die ganze Geschichte aufgebaut ist?
Immerhin findet Faramir endlich seinen wahren Charakter wieder (vgl. Szenen 40, 41, 42, 55 und 57) — eine Wendung um 180 Grad, denn angeblich verwirkt er dadurch sogar sein Leben.

61. Der Fangorn-Wald kommt nach Helms Klamm[hoch1]

Dass diese Szene in der Kinofassung fehlt, ist wirklich zu bedauern. Vielleicht wurde sie geschnitten, weil ihr nach der langen, dramatischen Schlacht etwas an Dynamik fehlt.

62. Der Endstand[hoch1]

Ein lustiger und entspannender Einschub. Den freundschaftlichen Wettstreit gibt es übrigens auch im Original.

63. Treibgut und Beute[hoch1]

Auch diese lustige Szene beruht auf dem Buch.

64. Der Abschied von Faramir[hoch1]

Faramirs „Wandlung“ ist schon erstaunlich (vgl. Szenen 40, 41, 42, 55, 57 und 60), aber der „alte“ Faramir kommt in der Brutalität gegen Gollum noch ein letztes Mal zum Vorschein.

65. „Der Kampf um Mittelerde steht bevor“

Ausblick auf den nächsten Film, Die Rückkehr des Königs, von der kriegerischen Seite aus.

66. Gollums Plan

Eine schöne Gollum-Szene (vgl. 29) zum Abschluss und (zusammen mit dem Lied des Abspanns) als Ausblick von der geheimen Seite aus.

Fazit:

Auch wenn in der Anzahl der Szenen die positiven Bewertungen überwiegen, haben mich doch die enormen Verfälschungen des Buches (Charaktere von Théoden und Faramir und weiterhin von Aragorn, Arwen und Elrond; Gesamtsituation Rohans; Verbannung statt kurzzeitiger Gefangennahme Éomers; zunehmende Diskrepanz zwischen Gimli und Legolas; Théodens Besessenheit und Exorzismus; Streitereien zwischen Aragorn und Théoden; Angriff der Wargreiter und Aragorns „Ausflug“; Elben in Helms Klamm; Dummheit der Ents; der Ring in Osgiliath) so gestört, dass ich mich über den ganzen Film regelrecht geärgert habe. Trotzdem muss man ihn natürlich (immer wieder) sehen.

Dieser Artikel ist sowohl Teil unseres umfangreichen Programms zu Ostern 2006 als auch Teil unseres umfangreichen Herr-der-Ringe-Specials.

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